englische Version
Margarete Luise Hammel
Traditionelle Handarbeit aus dem 20. Jhd.

Jole Wilcke, Eckhard Hammel
Bemerkungen zur (Wieder)Entdeckung des Handwerks in der Kunst

Skizze der aktuellen Diskussion - Crafting
• Dass künstlerische Aspekte des Handwerks handwerkliche Aspekte der Kunst beeinflusst haben, gilt wohl ganz besonders für die "weiblichen Künste". Schöne Beispiele dafür geben in der jüngeren Geschichte Hannah Höchs Stickmuster- und Handarbeitsvorlagen ab.
• Seit Mitte der 90er-Jahre sind diese Künste auf ein breites Interesse gestoßen. So steht der Ausdruck Crafting für eine Transformation von traditionell peiorativen Kulturtechniken wie Nähen, Sticken, Stricken etc. in eine künstlerisch gestaltete soziale Praxis.
• Um 2003 wurde von der englischen Autorin Besty Greer der Ausdruck Craftivism geprägt, der die Synthese der Bereiche „Handarbeit“ und „Aktivismus“ als politische Aktion auffasst.
• Die neueren Do-It-Yourself-Bewegungen verstehen ebenfalls Handarbeit als artikulierten Widerstand gegen Massenproduktion, Fashion-Diktat und den ökonomisch-medialen Apparat.
• Als Künstlerin und Medienaktivistin der Gegenwart ist Ele Carpenter hervorzuheben, die wesentliche Elemente des Crafting in der Open-Source-Bewegung sieht, eine Bewegung, die sich mit den Mitteln der Partizipation und des gemeinschaftlichen Produzierens gegen medienpolitische und industrielle Monopolisierungen von kommunikativen Netzwerken wendet.
• Aus einer wissenschaftlich-soziologischen Perspektive hat Richard Sennett in seinem Werk "The Craftsman" dieser Auffassung theoretischen Rückhalt verschafft.

Diese Installation
zeigt Objekte aus der Vorgeschichte der aktuellen Diskussion, überwiegend aus der Zeit um 1920: traditionelle Handarbeit, die nur im Raum des Privaten in Erscheinung trat. Es handelt sich um Stickarbeiten im Kreuz-, Stiel-, Platt-, Ajour-Stich, im Gobelin- und Petit Point-Stil, um Hohlsaumstickereien und Filet-Arbeiten.

Diese Art von Handarbeit wurde traditionell von Frauen gepflegt. Regulär handelte es sich um Frauen, die die ihr Handwerk in jungen Jahren erlernten, und zwar entweder für sich selbst als zukünftige Hausfrau oder für den zukünftigen Dienst gegenüber Kundinnen. Entsprechend arbeitete sie später für den eigenen oder für fremde Haushalte.

Diese beiden Produktionsumgebungen ("für sich selbst" oder "für andere") sind eng mit dem Problem der sozialen Schicht verknüpft. Die Töchter der weniger wohlhabenden Familien hatten die Handarbeit als dienstleistendes Handwerk zu erlernen, das Produkte für externe Auftraggeberinnen lieferte. Andere Formen der Erwerbstätigkeit waren für die Frauen dieser Zeit kaum möglich. Ein Beispiel dafür liefert die Filet-Arbeit von Frieda Berns, geb. Schuhmacher, zu Beginn der Bildserie. Die Arbeit ist erhalten geblieben, weil die Produzentin die vorliegende Arbeit für sich behielt.
Die sogenannten "höheren Töchter" wohlhabender Familien hingegen arbeiteten ausschließlich auf den Ausstand hin. Zeugnis davon geben die Lochstickarbeiten von Irene Hammel, geb. Neblung. Die Objekte lassen sich deshalb relativ problemlos ihrer Produzentin zuweisen - aber nur relativ problemlos, denn diese Familien verfügten regulär über Hausangestellte, die im Dienst der Hausfrau die Handarbeiten verrichteten.

Die Arbeiten von Margarete Luise Hammel, geb. Berns, sind neueren Datums und entstammen einer Zeit in der diese Differenz ihre Bedeutung bereits verloren hatte.