5. Die Struktur der Informationspraxis
Darzustellen ist näherhin die Praxis der
- Fachkommunikation,
- Fachinformation,
- Fachinformationssysteme.
innerhalb fließender Übergänge zur
(privaten und spontanen) Individualkommunikation, der sogen. "Alltagskommunikation" und Alltagsinformation
wie zur
Massenkommunikation und massenmedial vermittelten (Alltags- / Unterhaltungs-) Information
Die Differenz liegt
kaum mehr in der eingesetzten Technik
(→ Digitalisierung der gesamten IT,
→ Trend zur Technik-Konvergenz),
teilweise in den Informations-Inhalten,
eher in den benutzten Diensten und Informationsprodukten.
Fachinformation ist jener wichtige Teil des
(repräsentierten) Wissens,
der für die Bewältigung
fachlicher Aufgaben nützlich ist.
Sie wird häufig auch als "Produktionsfaktor"
oder "Rohstoff" bezeichnet.
Fachinformationsprogramm der Bundesregierung 1985-88
In den 60er und 70er Jahren war mit "Information und Dokumentation" (IuD) meist "Wissenschaftlich Technische Information" (WTI) gemeint.
Der Begriff der Fachinformation stellt demgegenüber eine erhebliche inhaltliche Erweiterung dar.
"Fach" meint nicht: Wissenschaftsdisziplin, sondern Wissens- / Erfahrungsbereich wie in "Fachmann".
Organisationsformen
1) Fachkkommunikation mit geringem Organisationsgrad
ist jener Teil des Fachinformationsaustauschs, der im allgemeinen ohne interimistische Verarbeitung / Verwaltung der Fachinformationen (aber durchaus technisch vermittelt) zwischen Kommunikationspartnern (in professionellen Nutzungszusammenhängen) stattfindet.
Beispiele:
Kommunikationspartner→←Kommunikationspartner
- (spontane) Gespräche
verbale Kommunikation- face to face
- technisch vermittelt
(Fernsprecher, Bildfernsprechen, Cityfunk, Mobilfunk)
- Fach-Korrespondenzen
Zeichencodierte Kommunikation
Textaustausch- persönlicher Austausch
- technisch vermittelt
(Paper Mail, E-Mail, Telefax, Computer Conferencing)
Informationswissenschaftlich interessierende Fragestellungen:
Komplementarität von gering-organisierter und komplex-organisierter Fachkommunikation
Bewertung der direkten (face-to-face, Telefon-, Video-, realtime (Computer-)Kommunikation
Technik-Einsatz in der gering-organisierten Fachkommunikation
Bewertung und Trends
Der personalen Fachkommunikation wird auch in Zukunft hohe Bedeutung zukommen:
Sitzungen, Konferenzen, Beratungsgepräche, Fachgespräche auf Messen etc.
Räumliche Distanzen verlieren an Bedeutung:
Die (interaktive) auditive und visuelle (multimediale) Erreichbarkeit nimmt stark zu
Zeitlich ist praktisch uneingeschränkte Erreichbarkeit möglich.
Hohe Bedeutsamkeit der Kommunikationswilligkeit.
Wachsende Bedeutsamkeit der informationellen Unterstützung der personalen Fachkommunikation.
2) Fachkommunikation mit komplexem Organisationsgrad
- Öffentliche (institutionalisierte) Informationssysteme
(Einrichtungen der Informationswirtschaft) - Informationssysteme in Organisationen
(Einrichtungen/ Organisationen der Wissenschaft, der Wirtschaft, Unternehmen, in Behörden etc.)
= i.d.R. Informationssysteme für geschlossene Benutzergruppen - Arbeitsplatz-Informationssysteme z.B. von Freiberuflern
• Öffentliche Informationssysteme
(öffentlich = allgemein - meist über den Markt - zugängliche IS)
Einrichtungen in
- staatlicher Trägerschaft
- privatwirtschaftlicher Trägerschaft
- in gemischter Trägerschaft
"öffentlich" heißt nicht: für den Benutzer gebührenfrei!
Beispiele
- (Produzierender) Buchhandel
(Buch-, Zeitungs-, Zeitschriftenverlage)
(vertreibender) Buchhandel
(Buchhandlungen) - Bibliotheken, Archive, Patentämter
- Fachdokumentationsstellen
- Host- / Serversysteme
- Anbieter von Netzdiensten
- Informationsdienstleister
(Kammern, Informationsbroker, Transferstellen,
Übersetzungsbüros /-dienste,
Beratungsfirmen u. -Stellen) - Kongresse, Fachmessen
- Museen
Fachinformationsversorgung mit Printmedien
Informationswissenschaftlich interessierende Fragestellungen:
Umfeld Autor:
- Entwicklung der Textverarbeitung
- Einsatz von Standardsystemen (Text / Graphik)
- Einsatz von Scannern und Lesesystemen
(Optical Character Recognition: OCR) - Verwendung von Auszeichnungssprachen
(Standard Generalized Markup Language: SGML) - Verwendung von Hypertext- /mediasprachen
- Verwendete Datentransportverfahren
(z.B. Übertragung des Digiskripts zum Verlag
mit dem File Transfer Protocol: FTP) - Interaktive Redaktion
s. auch: Elektronische Informationsversorgung
Umfeld Verlage:
- Produktpolitik : nicht nur elektronische Produktion, sondern auch elektronische Produkte
- Entwicklung der Drucktechniken
("Computer to Plate" / "Computer to Press") - Mehrfachnutzung elektronischer Quellen
- Publishing on demand
- Einsatz von computergestützten Übersetzungssystemen
- Preispolitik: Preisbindung
- Entwicklung
- des Urhebererechts,
- des Verlagsvertragsrechts,
- des Rechts der Verwertungsgesellschaften - Verlagskonzentration
s. auch: Elektronische Informationsversorgung
Umfeld Bibliotheken:
- Entwicklung des Bibliothekswesens
- Automation der Dienstleistungen
- Erwerbungs- / Katalogisierungsverbünde
- Publikumskataloge (OPAC)
- Informationsvermittlung
(konventionelle Bibliographien, Referateblätter, Datenbankrecherchen , CD-Angebote) - Leihverkehr
(Kopierdienste, Dolument-Lieferung)
s. auch: Elektronische Informationsversorgung
System der Bibliotheken in Deutschland
- Die Deutsche Bibliothek (Berlin / Frankfurt / Leipzig)
(Funktion: National-Bibliothek, Vor-Katalogisierung, Nationalbibliographie) - Staatsbibliotheken in Berlin und München
- Universitäts- und Landesbibliotheken
- Universitäts- und Stadtbibliotheken
- Universitätsbibliotheken
- (Fach-)Hochschulbibliotheken
- Bibliotheken mit überregionalem Versorgungsauftrag:
- Medizin: Köln
- Technik: Hannover
- Wirtschaft: Kiel
- Landbau: Bonn
- Sondersammelgebietsbibliotheken
(Hochschulbibliotheken mit DFG-finanziertem Sammelauftrag: z.B. für geisteswiss. Fächer) - Spezialbibliotheken
(in Forschungseinrichtungen, bei Verbänden, in Kultureinrichtungen, in der Wirtschaft, von Kirchen) - Öffentliche Bibliotheken
(der Kommunen)
Bewertung und Trends
Die Rolle der Printmedien wird sich auch in Zukunft - bei allem Einsatz elektronischer Produktionsverfahren - nicht wesentlich abschwächen. Die Stärke der Printmedien liegt in ihrer endgerätefreien (mobilen) / leitungsunabhängigen Nutzungsmöglichkeit.
Elektronischen Produkten werden sie i.d.R. nur dort weichen, wo eine häufige Aktualisierung des Inhalts erwartet wird.
Die tatsächliche Nutzung der Printmedien wird abhängig sein von der Existenz von (leicht verfügbaren und bedienbaren) Nachweissystemen sowie vom Zugang zu den Dokumenten selbst. Die Zugangsbeschleunigung wird teilweise durch interimistische Digitalisierung erreicht.
Der Print-Vorgang verlagert sich in zahlreichen Fällen zum Leser: Einsatz preiswerter aber zugleich hochwertiger Laserdrucker und Faxempfänger.
Werden Bibliotheken (teilweise) zu Profit-Centern?
Fachinformationsversorgung mit elektronischen Produkten / Diensten
Informationswissenschaftlich interessierende Fragestellungen:
Umfeld Autor / Datenurheber:
-
s. Informationsversorgung mit Printmedien
- Entwicklung der Direktangebote über einen (eigenen) Server mit Anschluß an ein WAN (Wide Area Network)
Umfeld Verlage
- Veränderung der Verlagslandschaft
- Bedeutung der Qualitätskontrolle durch Verlage
- Entwicklung des (wiss.) Zeitschriftenwesens
Umfeld Dokumentationsstelle (Datenbasenproduzenten / Datenbasenanbieter)
- Datenquellen
(Fachliteratur, Firmenschriften, Patente, Gesetze, Normen, Urteile, Erhebungen, Messungen, etc.) - Ordnungssysteme, Dokumentationssprachen
(auch für nicht-textuelle Information) - Erschließungsmethoden
- Erfassungssysteme
- Inf.-Dienstleistungen
- Inf.-Produkte (gedruckt, Datenbasen, CDs)
- Organisationsform, Trägerschaft, Kosten
Umfeld Hosts (Datenbankvertreiber: DB-Servicerechenzentren)
- Eingesetzte Hardware-Konfigurationen
- Datenbank(management)systeme, Retrievalsprachen
- Technischer Zugang
- Vertragsbedingungen, Preise, Haftungsfrage
- Datenbankangebot (Bibliogr. DB, Volltext DB, Faktenbanken)
- Inf.-Produkte (Online Retrieval, SDI, CDs)
- Dienstleistungen (Help-Desk, Online-Ordering, Schulungen)
- Organisationsform, Trägerschaft
- Host-Verbünde
- (z.B.: STN - Scientific Technical Network -:
Fachinformationszentrum Karlsruhe,
Chemical Abstract Service, Columbus [Ohio],
Japan Information Center for Science an Technology, Tokyo;
DIMDI, Köln,
Questel-Orbit, Paris - FIZ Technik
- Datastar
- Dialog Corporation [Knight-Ridder / M.A.I.D])
- Technische Realisierung
- DB-Angebot
- Trägerschaft
- (z.B.: STN - Scientific Technical Network -:
- Gateway-Services
("single access point" Zugangsservice zum Datenbankangebot mehrerer Hosts)
- Benutzeroberfläche
- Angebot
- Vertragsbedingungen
Umfeld Consumer Services (Betreiber von Multimedia-Netzdiensten)
- Betreiber und ihre Besonderheiten
(z.B. Internet, T-Online, America Online (AOL) / Bertelsmann (CompuServe)) - Technische Grundlagen
(Protokolle: z.B. TCP / IP) - Zugangsbedingungen
- Netzbrowser
(z.B. Netscape, Microsoft Internet Explorer, Mosaic) - Editoren
(z.B. Hotdog, Java; Auszeichnungssprachen) - Dienste (Formen - Inhalte)
(Gopher, WWW, Telnet, FTP, Mail, News, Chat, Computer- / Video-Conferences;
Tele-banking, Tele-shopping) - Navigationssysteme
Umfeld Netze (Netzbetreiber)
- Entwicklung der Netztechnologie / Netztypen
(z.B.: Euro-ISDN; ATM; Europe-Railtel; Trans-Europe-Line) - (nationale / internationale) Netzbetreiber und ihre Konkurrenzsituation
(z.B.: Telekom, o.tel.o (Vebacom), VIAG-Interkom) - Nutzerverbünde
(z.B. Deutsches-Forschungsnetz-Verein DFN mit dem Wissenschaftsnetz WIN) - Entwicklungen im Bereich der Local-Area-Networks LAN
Umfeld Informationsvermittler
- Dienstleistungen
(Informationsbeschaffung unterschiedlichster Art, vor allem Datenbankrecherchen, "Mehrwertdienste": Inf.- Auswertung, Expertisen, Beratungen, etc.) - Organisationsform, Trägerschaft
(in Wiss. / Öffentl. Bibliotheken, Kammern, privatwirtschaftlich organisiert) - Vertragsbedingungen, Preise
- Haftung
Umfeld Benutzer
- Benutzertypologie
- Informationsbedarf
- Informationsverhalten
- Akzeptanz von Informationsdiensten
- Akzeptanzbarrieren
Ein Teil der allgemeinen Fachinformation ist über
Medieneinrichtungen (Rundfunk, Fernsehen)
als "Verteilinformation" rezipierbar
Organisierte Präsentation von Fachinformation erfolgt zudem
- auf Kongressen
· Präsentation von Expertisen (Proceedings) - auf Messen
· Präsentation von Produkten, Leistungen - in Museen
· Präsentation von Objekten
Von informationswissenschaftlichem Interesse ist / sind
- der Anteil dieser Formen organisierter öffentl. Fachinformation
- die Präsentationstechniken
- die Nutzer-Akzeptanz
Bewertung und Trends
Datenbanken: Weiterer Zuwachs der Realtime-Dienste (Finanzdaten, Börseninformationen) und Wirtschaftsdatenbanken.
Stagnation / Rückgang im Bereich wissenschaftl. Datenbanken / Datenbanknutzung
Desiderate:
Verbesserung in der Daten-Qualität:
· Aktualität, Genauigkeit, Richtigkeit, Vollständigkeit, Selektierbarkeit;
· Verbesserung der Darstellung;
· Schnellere Verfügbarkeit, Bereitstellung;
· Standardisierung der Zugriffssystem (-sprachen);
· Verbesserung der Systemsicherheit;
· Höhere Fehlertoleranz der Systeme;
· Verbesserte Ergonomie;
· Veringerung des Schulungsbedarfs;
· Kostengünstigerer Zugang.
Die CD-Angebote werden die Online-Dienste (zumal der Costumer Services) nicht gefährden. Zu erwarten sind neue CD-Standards.
Es bilden sich neue Hostverbünde und Gateways.
Die kommerziellen Consumer-Services werden mit praxisorientierten Fachinformationen den Kundenkreis der Klein- und mittelständischen Unternehmen gewinnen, um den die Hosts bisher vergeblich geworben haben.
Professionelle Informationsvermittlung rentiert sich nur in Kammern, Technologie-Transfer- Einrichtungen und Consulting-Unternehmen (mit "value added information" Informationsmehrwert-Diensten).
Staatliche Subventionen werden mehr und mehr eingestellt, sind aber zum Angebots- ausgleich erforderlich.
• Informationssysteme in Organisationen
(Einrichtungen / Organisationen der
Wissenschaft, der Wirtschaft, Unternehmen,
in Behörden etc.)
In der Regel handelt es sich dabei um
Informationssysteme für geschlossene Benutzergruppen,
sogen. Inhouse-Systeme.
Sie sind nur zugänglich für die Mitglieder der betreffenden Institution.
Inhouse Informationssysteme:
Quellen der innerbetrieblichen Informationsversorgung:
Größere Unternehmen erfordern ein explizites INFORMATIONSMANAGEMENT.
Seine Fragestellungen lauten:
Fachinformationsversorgung von (geschlossenen) Benutzergruppen
Informationswissenschaftlich interessierende Fragestellungen
Aufbau- und Ablauforganisation der Inhouse-Informationsstelle und des Inhouse-Informationsmanagements
Interne Datenbanksysteme
(Daten, Bearbeitungsmethoden, eingesetzte Technik)
Beschaffungsverfahren für externe Information
Organisationsinterne Informationsvermittlung
Steuerung der internen Informations-Flüsse
Entwicklung und Einsatz von Expertensystemen
- Verarbeitung natürlich sprachlicher Texte
Ein-/Ausgabesysteme
automatisierte Texterschließung- Textverdichtung
- Textübersetzung
- Verarbeitung gesprochener Sprache
Sprachausgabe
Spracheingabe- Sprecherabhängig
- Sprecherunabhängig
- Muster-/Stand-/Bewegtbilderkennung und Deutung in natürlicher Sprache
- Wissensbasierte Steuerung (Roboter)
Wirtschaftlichkeit der Inhouse IS
• Arbeitsplatz-Informationssysteme
Informationsarbeitsplatz (Typen)
- Arbeitsplatzsystem als Teilnehmerplatz eines Inhouse-IS (zentral / dezentral als Tele-Arbeitsplatz)
- Arbeitsplatzsystem eines Mitarbeiters einer (innerbetrieblichen) Informations-Einrichtung
- Arbeitsplatzsystem eines Freiberuflers (Arztpraxis, Steuerpraxis, Anwaltskanzlei etc.)
Fachinformationsversorgung am Arbeitsplatz
Informationswissenschaftlich interessierende Fragestellungen:
Informationsstrukturen (Dokumentarten, Datentypen)
- Eingesetzte Technik
- Fernsprechsysteme, Video-Systeme,
- Mikroformen, Telex,
- Telefax, Kopiersysteme
- DV-Konfiguration
- (Einzelplatz, Mehrplatz, Vernetzter Platz)
- Software
- Textverarbeitung /DTP
- Graphik
- Tabellenkalkulation
- Statistik
- Terminüberwachung
- Projektmanagement
- CAD-CAM
- Netzbrowser
- lokales Datenbanksystem / CD-Zugang
- Zugang zu externen DB
- Erforderliche Qualifikation
- Arbeitsorganisation an Tele-Arbeitsplätzen Auswirkungen