Norbert Henrichs
Einführung in die Informationswissenschaft

3. Begriff und Theorie der Information

3.1 DAS KLASSISCHE KOMMUNIKATIONSSCHEMA

Ausgangspunkt der Kommunikationsanalyse ist das Klassische Kommunikationsschema der Nachrichtentechnik (Shannon u. Weaver: A mathematical theory of communication, 1949).

Von der Grundbedeutung von "communicare" = "jemandem etwas mitteilen" her bedeutet "communicatio": zwischen (mindestens) zwei Partnern läuft ein gerichteter Vorgang (= Mitteilungsvorgang) ab.

Der Mitteilungsvorgang begründet eine Relation zwischem dem

"Sender" einer Nachricht
= Auslöser, Ausgangspunkt eines Mitteilungsvorgangs,
= Expedient und dem
"Empfänger" der Nachricht
= Zielpunkt des Mitteilungsvorgangs,
= Rezipient (auch: Perzipient)
Kommunikation:
= Relation zwischen Expedient und Rezipient
Kommunikationskette = K (E,R)

Bei einseitigem Mitteilungsvorgang (= Monolog) heißt die Kommunikationskette: unilateral

Ist der Mitteilungsvorgang wechselseitig (= Dialog), können also E u. R die Rollen tauschen, heißt die Kommunikationskette: bilateral.

In der Praxis der Kommunikationsnetze haben wir es mit multilateralen Kommunikationsbeziehungen zu tun.

Erste Spezifizierung von K(E,R):
Sie betrifft den Mitteilungsweg zwischen E und R = Kanal

K = K (E,R,Kanal)

Kanal
= Mitteilungsweg (Transportweg)
besser
= Mitteilungsmedium (Transportmedium)
Leitungssystem ("Netz")

davon zu unterscheiden sind

Zweite Spezifizierung von K (E,R):
Sie betrifft E und R.

E ist nicht nur Ausgabesystem der Mitteilung, sondern zunächst Nachrichtenquelle

Nachrichtenquelle
= Repertoire von (Nachrichten-)Elementen
+ Regeln zur Zusammensetzung von Elementen zu Nachrichten.

(Elemente + Regelwerk heißen auch "Sprache")

Nachrichtenquelle bzw. Repertoire bedeutet "Ort", an dem (eine) Sprache(n) verfügbar ist (sind) zur Formulierung einer Nachricht

Rep(E) = Repertoire des Expedienten

Die Empfängerseite R bezeichnet man als Nachrichtensenke.

Auch hier muß ein Repertoire vorhanden sein als "Ort" der Aufnahme von Nachrichten = Rep(R).

Daraus ergibt sich folgende Schema-Erweiterung:

K = K [ (E (Rep E)), (R (Rep R)), Kanal]

Nachrichtenaustausch setzt voraus

abb

Die Schnittmenge darf nicht leer sein, um das Ziel der KOMMUNIKATION zu erreichen.

Mit Fragen der Konstituierung solcher Repertoires (Sprachen) befaßt sich die Semiotik.

Dritte Spezifizierung von K (E,R):
Sie betrifft die Sende- und Empfangsfunktion

Senden
= 1. aus einem Repertoire gewonnene Mitteilungen mitteilbar machen = codieren (formale Umwandlung: Wissen in Information)
= 2. die codierte Nachricht übermitteln
= signalisieren
Empfangen
= 1. Signale empfangen
= 2. empfangene Signale decodieren (formale Rückwandlung: Information in Wissen)
· Codieren
Einen Bedeutungsgehalt durch (nach Regeln zusammengesetzte) Zeichen (einer "Sprache") repräsentieren.
· Signalisieren
Codes in über den Kanal übertragbare Impulse (Signale) verwandeln und senden

Daraus ergibt sich folgende Schema-Erweiterung:

K = K [(E(Rep E, (Cod, Sig E))) , (R(Rep R, (Decod, Sig R))), Kanal]

Vierte Spezifizierung von K(E,R):
Sie betrifft den Inhalt der Mitteilung, also die zu übermittelnde materiale Information (den Informationsgehalt)

Informationsgehalt
= unter Verwendung von Rep E dargestelltes (repräsentiertes) Wissen
= I (Rep E)

Das Kommunikationsschema der Nachrichtentechnik hat also folgende Form:

K = K [(E(Rep E, (Cod, Sig E))) , (R(Rep R, (Decod, Sig R))) , Kanal , (I(Rep E))]

E (Rep E, (Cod, Sig E)) = Sendereigenschaften

R (Rep R, (Decod, Sig R)) = Empfängereigenschaften

Kanal = Eigenschaften des Übertragungssystems

I(Rep E) = Information

Das Schema wird meist vereinfacht dargestellt:

abb

Allgemeines Kommunikationsschema nach C.E. Shannon u. W. Weaver

abb
Rep
= Repertoire = Sprache (Elemente + Regeln zur Wissensrepräsentation)
Code
= Zeichensystem (Elemente + Regeln zur Repräsentation der Sprachelemente
Signal
= physikalisch-technische Repräsentation des Code.
Was interessiert die Nachrichtentechnik?
  1. Signalgeber,
    Signalempfänger:
    Eignung für Repräsentation derverwendeten Codes
  2. Übertragungsleitung:
    Störungsfreie Übertragung,
    Ausschaltung von Störungen,
    Kompensation von Störungen
= technisches, syntaktisches Interesse

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